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Börse aktuell: Warten auf Godot?
Zwei Männer warten auf einen gewissen Godot – aber er kommt nicht. So ähnlich wie in dem berühmten Theaterstück des irischen Schriftstellers Samuel Beckett verhält es sich seit Wochen an den Märkten: Die Anleger warten auf eine nennenswerte Korrektur – aber sie will nicht kommen. Der Volatilitätsindex VDAX ist über die letzten Wochen sukzessive gefallen und signalisierte totale Sorglosigkeit unter den Marktteilnehmern. In Angst- und Krisenphasen hingegen springt dieser Index, der die erwartete Schwankungsbreite am Markt anzeigt, rasant an.
Seit Mai schwankt zwar auch der deutsche Aktienmarkt paar hundert Punkte hin, paar hundert Punkte her, aber summa summarum lief es zwischen 15.600 und 16.400 nur seitwärts. Eine Korrektur, die Einstiegskurse liefern würde, sieht anders aus. Zudem ist der US-Markt zu stark unterwegs und tendiert weiterhin nach oben. Da kann der DAX kaum fallen. Oder doch? In den umsatzschwächeren Sommermonaten gab es immer mal wieder Kursdellen. Sollte also aus der gerade gestarteten Abwärtsbewegung mehr werden, dann hielte sich der Aktienmarkt nur an das saisonale Muster. Nach der Urlaubszeit sind wir aber wahrscheinlich wieder da, wo wir vorher waren.
Den US-Anlegern macht Hoffnung, dass die Zinsen in den USA zumindest vorübergehend ein gewisses Plateau erreicht haben. Die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) legte auf ihrer letzten Sitzung im Juni die erwartete Zinspause ein und hat den Leitzins in einem Zielbereich von 5,0% bis 5,25% belassen. Man wolle zunächst die bisherigen Auswirkungen der Geldpolitik bewerten. Dass die historisch schnellen Zinserhöhungen der Fed in den USA im März zu einer Bankenkrise geführt haben, war eine dieser Auswirkungen. Verwunderlich ist eher, dass die Lage am US-Bankenmarkt nicht eskaliert ist. Denn viele amerikanische Regionalbanken stehen – anders als hiesige Sparkassen und Volksbanken - sehr schwach auf der Brust da. Weitere Risse im US-Finanzsystem können sich daher jederzeit auftun, denn Fed-Chef Powell hat sehr wohl weitere Zinserhöhungen noch in diesem Jahr signalisiert. Die Prognosen deuten immerhin zwei weitere Zinserhöhungen um jeweils einen Viertelpunkt bis Jahresende an.
In Europa muss man sogar noch mehr erwarten. Lagarde, die Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB) tritt in jüngster Zeit sehr aggressiv für die Inflationsbekämpfung ein. Die EZB wird die Zinszügel daher weiter in Schritten von 25 Basispunkten straffen, auch wenn in vielen europäischen Ländern die Inflationsraten mittlerweile wieder zurückkommen. Anders in Deutschland: Hier ist die Inflationsrate sogar wieder angestiegen. Die Statistiker begründen es mit Basiseffekten und auslaufenden Konjunkturhilfen (Strompreisbremse, etc.). Der deutschen Wirtschaft hätte es jedoch auf jeden Fall gut getan, wenn die EZB schon viel früher mit ihren Zinsschritten begonnen hätte.
Moderne Portfoliotheorie: Nicht mehr neu, aber immer noch aktuell
Der bekannte Portfoliotheoretiker Harry Markowitz ist im Alter von 95 Jahren gestorben. Seine Theorie zur Diversifizierung revolutionierte die Wertpapieranlage.
Markowitz leitete seine berühmte Portfoliotheorie mittels mathematischer Formeln her. Doch die Grunderkenntnis, für die der US-Ökonom 1990 den Nobelpreis bekam, lässt sich auch ohne Mathematik umsetzen: Im Kern kann jeder sein Depot nach Markowitz optimieren, wenn er gleichzeitig in verschiedene Anlageklassen investiert.
In der Praxis zeigt sich allerdings, dass das Modell in schwierigen Marktphasen versagt - so wie im vergangenen Jahr, als die großen Anlageklassen Aktien und Anleihen gleichzeitig verloren. Doch mit der absehbaren Beruhigung an der Zinsfront müsste Markowitz’ Idee eigentlich wieder funktionieren.
Markowitz’ Gedanke ist so schlicht wie schlagend: Durch eine breite Diversifikation oder Streuung des Anlagekapitals verringert ein Anleger das Risiko von Verlusten. Zugleich erzielt er so eine höchstmögliche Rendite bei einem für ihn erträglichen Risiko. Voraussetzung ist, dass man Anlageklassen kombiniert, die möglichst unabhängig voneinander sind, also geringe Korrelationen untereinander aufweisen.
Beispiel gefällig? Aktien liefern längerfristig die beste Rendite. Anleihen federn die typischen Kursschwankungen von Dividendentiteln ab: Ihre Kupons bringen dem Anleger laufende Erträge ein. Zudem legen als sicher geltende Staatsanleihen meist zu, wenn Aktien verlieren, da Anleger dann in die festverzinslichen Papiere flüchten. Daraus leitet sich üblicherweise eine leicht negative Korrelation zwischen Aktien und Staatsanleihen ab. Im vergangenen Jahr mit den ungewöhnlich schnell steigenden Zinsen hat dieser Mechanismus jedoch nicht funktioniert. Auch in Panikphasen bewegen sich meist alle Anlageklassen in die gleiche Richtung. Allerdings ist das oft nur ein vorübergehendes Phänomen. Es ändert nichts an der Sinnhaftigkeit eines diversifizierten Portfolios und an der Grundidee von Markowitz.
Der Zusammenhang zwischen Aktien und Staatsanleihen ist nur ein Beispiel von vielen für eine Risikooptimierung nach Markowitz:
China hat einen ganz eigenen Wirtschaftszyklus und kann daher als Diversifikation zu Investments in europäischen und amerikanischen Märkten dienen. Für Japan gilt das auch, wenn auch ein Stück weit weniger als für China. Für einzelne Branchen gilt: Wachstumswerte reagieren auf Zinsen, zyklische Werte auf Konjunktureinbrüche, defensive Werte sind gegen beide Risiken relativ resistent. Auch hier kommt es auf die Mischung an.
Gold und die Kryptowährung Bitcoin wiederum leiden beide unter steigenden Renditen am Zinsmarkt, weil beide keine Zinsen einbringen. Bitcoin ist aber über einen längeren Zeitraum höher mit Aktien korreliert – gerade auch mit hoch bewerteten Titeln. Denn der Kryptobereich ist sehr stimmungsabhängig. Gold ist verglichen damit solider, außerdem reagiert das Edelmetall meist positiv, wenn Stress im Finanzsystem auftritt. Deshalb setzen auch viele Fondsmanager auf Gold als Stabilitätsanker im Depot.
Unser Rat:
Markowitz ist nicht tot. Er lebt weiter in vielen gut strukturierten Depots. Daher kommt es auch nicht darauf an, dass jede einzelne Depotposition im Plus ist, solange die Gesamtrichtung stimmt. Auch vermeintlich „langweilige“ Positionen können aus Gründen der Risikostreuung langfristig Sinn machen.
Zinsen: Steigende Zinsen erfreuen nicht nur Sparer
Noch immer versauern Milliarden Euro auf Girokonten – dabei wirft Tagesgeld mittlerweile wieder beachtliche Zinsen ab. Das schützt zwar nicht wirklich vor der Inflation, kann die Geldentwertung aber zumindest ein wenig abfedern. Die durchschnittlichen Tagesgeldzinsen haben im Juni erstmals seit mehr als zehn Jahren den Wert von einem Prozent überschritten (Stichtag 1.6.23: 1,17%, ausgewertet von 100 Tagesgeldangeboten). Zuletzt hatte der Zins vor gut 10 Jahren über einem Prozent gelegen.
Die Banken mit dem höchsten Zins bieten mittlerweile sogar schon über drei Prozent. Auch beim Festgeld zeigt der Trend ebenfalls nur in eine Richtung – nach oben.
Offensichtlich haben die Banken den Zins wieder zur Neukundenakquise entdeckt. Viele Angebote sind daher zeitlich begrenzt und nicht für Bestandskunden nutzbar.
Unsere Einschätzung:
Nicht nur für Sparer ist der steigende Zins eine erfreuliche Nachricht. Auch in der Vermögensverwaltung vereinfacht es die Renditeaussichten für konservativere Anleger. Denn nicht jeder will voll in Aktien gehen. Insbesondere in unserem Anlagekonzept SOKRATES (MOAR), das in Aktien, Zinsen und Edelmetalle anlegt, sollte sich der höhere Zinssatz längerfristig positiv bemerkbar machen. Mit US-Staatsanleihen können sogar wieder über vier Prozent Rendite erzielt werden.
Zudem bieten auch die Depotbanken, mit denen Dr. Lux & Präuner zusammenarbeitet, attraktive Tagesgeldzinssätze an. Wer Geld also zunächst noch parken will, weil er auf ein bestimmtes Investitionszeitfenster wartet, muss daher nicht mehr von Bank zu Bank tingeln.