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Börse aktuell: In Europa fallen die Zinsen
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat die seit Monaten signalisierte Senkung der Leitzinsen nun tatsächlich vorgenommen und damit vor der US-Notenbank und der Bank of England den Lockerungszyklus angestoßen. Der Einlagensatz wurde wie erwartet um einen Viertelprozentpunkt auf 3,75% herabgesetzt. Neun Monate hatten die Währungshüter den Zins auf einem Rekordniveau von 4,00% gehalten.
"Seit der Sitzung des EZB-Rats im September 2023 ist die Inflation um mehr als 2,5 Prozentpunkte zurückgegangen, und die Inflationsaussichten haben sich seitdem deutlich verbessert", hieß es in der EZB-Mitteilung. Gleichzeitig wurde jedoch die Inflationsprognose gegenüber den März-Projektionen nach oben korrigiert: Die Fachleute erwarten nun eine Gesamtinflation von durchschnittlich 2,5% für dieses Jahr, 2,2% für 2025 und 1,9% für 2026. Der binnenwirtschaftliche Preisdruck sei angesichts des kräftigen Lohnwachstums nach wie vor hoch. Die Inflation dürfte somit bis weit ins nächste Jahr über dem EZB-Zielwert von 2% bleiben.
Auch wenn EZB-Chefin Christine Lagarde es als „sehr wahrscheinlich“ bezeichnete, dass die Zinsen sogar noch weiter sinken, deutet die aktualisierte Prognose darauf hin, dass sich dieser Prozess hinziehen wird.
Die US-Währungshüter lassen im Gegensatz zur EZB die Zinsen weiterhin unangetastet – vorerst. Sie schieben den Zinssenkungs-Zyklus fast komplett ins nächste Jahr. Die Notenbanker um Fed-Chef Jerome Powell rechnen dieses Jahr nur noch mit einer Zinssenkung. Sie sehen die Inflation noch nicht als gebändigt an.
"Zinssenkungen, die in diesem Jahr hätten stattfinden können, finden im nächsten Jahr statt", führte Fed-Chef Powell aus. "In diesem Jahr gibt es in der Medianerwartung weniger Zinssenkungen, aber im nächsten Jahr eine mehr." Die Medianprognose der Währungshüter für die zugrunde liegende Inflation ("Core PCE") 2024 stieg von 2,6% im März auf aktuell 2,8%. Die Prognosen für das Wirtschaftswachstum und die Arbeitslosenquote blieben bei 2,1% beziehungsweise 4%.
Die EZB hat geliefert, aber die Hoffnungen, dass daraus ein kontinuierlicher Abwärtstrend entsteht, hat sich bereits in den letzten Wochen zerschlagen. Die neue Realität, dass sich der Zinssenkungsprozess wohl eher über mehrere Jahre verlängern wird, ist in die Aktienmärkte eingepreist worden. Es passt ins saisonale Muster, dass die meisten Aktienindizes in eine Hängepartie übergegangen sind.
Mit einer großen Ausnahme: Dank der immer teurer werdenden NVIDIA-Aktie, die mittlerweile auch die Marktkapitalisierung der Schwergewichte Apple und Microsoft überholt hat, klettert die Technologiebörse NASDAQ von einem Rekord zu nächsten. Mittlerweile hat der IT-Index auch fast die 20.000er Marke geknackt und sich somit in gerade mal eineinhalb Jahren fast verdoppelt – eine Erfolgsbilanz par excellence. Zu diesem Erfolg trug allein die NVDIA-Aktie 40% der Performance bei. Der NASDAQ-Index profitiert von der wachsenden Marktkapitalisierung einiger weniger Aktien: von über 3000 Werten machen die 10 größten Positionen mittlerweile mehr als 50% des Index aus - aus Portfoliosicht ein riesiges Klumpenrisiko, aber es bleibt der stärkste Index der Welt.
Nachhaltigkeit: Der ESG-Realitätsschock
ESG-Anlageprodukte, die Investments in Bezug auf Umwelt, Soziales und Governance bewerten, erfreuten sich bis vor wenigen Jahren großer Beliebtheit. Zunehmend mehr Menschen wollten mit ihren Investments auch einen positiven Einfluss auf die Gesellschaft und die Umwelt ausüben. Doch dass nachhaltige Anlagestrategien automatisch auch dem Ertrag zugutekommen, hat sich als Trugschluss erwiesen. Gerade bei den Investmentfonds mit dem Label „Nachhaltig“ und „ESG“ hinken viele der allgemeinen Marktentwicklung deutlich hinterher; viele Produkte haben sogar Minus produziert, obwohl der Gesamtmarkt stieg. Aktien von Unternehmen, die sich auf Umweltthemen spezialisiert haben, sind teilweise in den freien Fall übergegangen.
Das war zu viel für viele Anleger. In der Branche herrscht Ernüchterung. Mittlerweile wurde wieder viel Geld aus ESG-Produkten abgezogen. Diverse Greenwashing-Skandale, bei denen Unternehmen hinter den Kulissen wider ihren vollmundigen Klimaversprechen handeln, tragen ebenfalls nicht dazu bei, das Vertrauen in das immer noch junge Thema zu stärken.
Doch auch Portfoliomanager stehen vor einem Dilemma: bei der Definition des Begriffs Nachhaltigkeit besteht nach wie vor Wildwuchs und Uneinigkeit. Beispielsweise dürfte in Deutschland für die meisten Menschen Kernkraft als absolutes Tabu gelten – schon aufgrund der ungelösten Lagerung der Atomabfälle. In Frankreich oder angelsächsischen Ländern gilt diese Art der Energieerzeugung in weiten Kreisen dagegen als umweltschonend, weil keine CO2-Emissionen ausgestoßen werden.
Ebenso gelten Waffen und Rüstungsindustrie für viele als no go – zumindest bis zum Ausbruch des Ukraine-Kriegs. Auf einmal rückt eine mögliche externe Bedrohung ziemlich nahe heran, und man wird daran erinnert, dass Waffen – leider – immer noch wichtiger Bestandteil einer demokratisch legitimierten Sicherheits- und Verteidigungspolitik sein können. Ihr bloßes Drohpotenzial kann kriegerische Auseinandersetzungen unwahrscheinlicher machen. So unerfreulich das auch ist, kann es im Sinne eines dauerhaften Friedens im Ergebnis das kleinere Übel sein - Rüstung sozusagen als nachhaltiger Sicherheitsgarant.
Aus einer Nachhaltigkeits-Perspektive wird man sich ernsthaft fragen müssen, ob die scheinbaren Gewissheiten von gestern den Realitäts-Test auch morgen noch bestehen. Was sollen die maßgeblichen Kriterien für Nachhaltigkeit sein? Ethisch-moralische Integrität, staatlich-politische Stabilität, Versorgungssicherheit, Umwelt- und Klimaschutz? Und jeweils bezogen auf Deutschland, oder die EU, oder darüber hinaus? Während es keine Zweifel darangeben kann, dass der Klimawandel, und damit verbunden der Schutz der Umwelt und der natürlichen Lebensgrundlagen allgemein, die große Gegenwartsherausforderung im globalen Maßstab ist und bleibt, kommt man bei fast allen anderen Themen unvermeidlich in den Bereich subjektiver Wertungen – ob aus staatlich-politischer, unternehmerischer oder individuell-persönlicher Sicht. Das zeigt sich auch bei Nachhaltigkeits-Ratingagenturen, die bei denselben Aktiengesellschaften teilweise zu völlig unterschiedlichen Bewertungen gelangen.
Schon vor Jahren kam eine Untersuchung des Massachusetts Institute of Technology (MIT) zu dem Ergebnis, dass zwischen den ESG-Bewertungen der verschiedenen Nachhaltigkeits-Ratingagenturen kaum Korrelationen bestehen. Außerdem stammen die zugrundeliegenden Informationen und Daten in der Regel von den Unternehmen selbst. Sie haben es also zu einem guten Teil selbst in der Hand, wie sozial und ökologisch sie sich präsentieren.
Beispiel Raytheon: Eine renommierte Nachhaltigkeits-Ratingagentur stuft den amerikanischen Rüstungsproduzenten auf einer ESG-Skala von AAA bis CCC mit A ein, da das Unternehmen, unter anderem den Strom- und Wasserverbrauch sowie die CO2-Emissionen laut Nachhaltigkeitsbericht reduziert hat. Raython produziert unter anderem Raketen, Torpedos und Marschflugkörper und müsste eigentlich bei der Anwendung halbwegs ernsthafter Ausschlusskriterien aus jedem nachhaltigen Anlageuniversum rausfliegen – wohlgemerkt, das Rating orientiert sich an allgemeinen Verbrauchsdaten, nicht an den Produkten des Unternehmens.
Ein weiteres Beispiel ist Rio Tinto: Auch diesen Minenkonzern bewertet die genannte Nachhaltigkeits-Ratingagentur in Bezug auf ESG mit A, obwohl dem Unternehmen Verstöße gegen die Umwelt und die Arbeitsrechte vorgeworfen werden. So hat der australisch-britische Konzern in Westaustralien Kulturstätten der Ureinwohner gesprengt, woraufhin der CEO zurücktreten musste. Außerdem versuchte Rio Tinto in der Vergangenheit immer wieder Beschäftigte davon abzuhalten, Gewerkschaften beizutreten. Eine gute Unternehmensführung sieht wohl anders aus.
Unsere Einschätzung:
Es wird immer deutlicher: Nachhaltigkeit ist kein allgemeingültiges Konzept, es gibt keine allgemeinverbindliche Definition. ESG-Ratings können bei der Selektion nachhaltiger Aktien und Anleihen hilfreich sein, aber sie bleiben oft widersprüchlich.
Bei Dr. Lux & Präuner stehen wir dem politisch gewollten Thema „Nachhaltigkeit“ daher skeptisch gegenüber. Die Befürchtung, dass sich durch ein nach bestimmten Kriterien reduziertes Anlageuniversum eher kontraproduktiv auf die Rendite auswirkt, hat sich bestätigt. Umgekehrt konnte es auch schon vor den Zeiten von ESG nicht im Interesse eines Portfoliomanagers sein, Unternehmen zu unterstützen, die ihre Mitarbeiter schlecht behandeln oder unsere Lebensgrundlage absichtlich zerstören. Mittlerweile versucht jedoch die Politik die Finanzbranche durch diverse Berichtspflichten und Rechtfertigungsnachweise in ein Selektionsraster zu pressen, das politisch gewollt, aber nicht mehr im Sinne des Endanlegers ist.
Investmentfonds: Passive überholen aktive Fonds in den USA
Ein erster Wendepunkt im Portfoliomanagement ist erreicht: In den USA hat das in Indexfonds und börsengehandelten Indexfonds (ETFs) verwaltete Vermögen erstmals das Volumen von aktiv gesteuerten Publikumsfonds übertroffen. Dies meldet die Fondsratinggesellschaft Morningstar: In den USA verwalteten passive Publikumsfonds per Ende Dezember ein Vermögen in Höhe von 13,3 Billionen US-Dollar. Aktive Publikumsfonds und aktive ETFs vereinten demgegenüber ein Volumen von 13,2 Billionen Dollar.
Der Siegeszug des passiven Investmentstils scheint sich damit fortzusetzen. In Europa hingegen ist diese Wegmarke noch nicht in greifbarer Nähe.
Als in den 1970er Jahren die ersten Indexfonds auf den Markt kamen, galt der passive Investmentstil noch als Außenseiter. Doch dann begann ein stetiger Aufstieg, der durch die Popularität börsengehandelter Fonds noch an Fahrt gewann. Aktive Fonds büßten demgegenüber in der Gunst der Anleger ein. Seit 2015 zogen in den USA Investoren Jahr um Jahr unter dem Strich Geld aus aktiven Ansätzen ab – nur 2021 bildete hier eine Ausnahme.
Mit dem Kursverfall 2022 rückte in den USA die Vorherrschaft des passiven Investments dann in Reichweite. Denn während aus aktiven Fonds unter dem Strich massiv Mittel abflossen, zogen sogar in dem Krisenjahr passive Vehikel frisches Geld an. Dieser Trend setzte sich 2023 fort. Unter dem Strich zogen Anleger 450 Milliarden Dollar aus aktiven US-Fonds ab, während passiven Vehikeln 529 Milliarden Dollar zuflossen, wie die Morningstar-Daten zeigen.
In Europa ist der Wendepunkt dagegen noch nicht in Sicht. Hier lag Morningstar zufolge per Ende November 2023 ein Vermögen von rund 7,5 Billionen Euro in aktiven Publikumsfonds, während passive Strategien ein Volumen von 2,8 Billionen Euro aufwiesen. Doch auch in Europa zogen Anleger 2023 unter dem Strich Geld aus aktiven Ansätzen ab, während Indexfonds und passive ETFs auf Nettomittelzuflüsse kommen.
Unsere Einschätzung:
Im nüchternen Performance-Vergleich schneiden Indexfonds und ETFs langfristig häufig besser ab als aktiv gemanagte Fonds. Und sie sind auch kostengünstiger, weil kein Fondsmanager bezahlt werden muss.
An dem Versuch, mindestens so gut wie der Index zu sein, haben sich bereits viele Fondsmanager die Zähne ausgebissen. Sie starten in dem Wettbewerb ohnehin mit zwei entscheidenden Nachteilen: der Index ist frei von Kosten, ein Fonds nicht (Transaktionskosten, Managementgebühren, Depotbankgebühren); der Index ist voll investiert, aktive Fonds müssen üblicherweise etwas Liquidität halten für den Anteilshandel.
Auch in unserem ETF-Anlagekonzept SOKRATES (MOAR) setzen wir auf eine reine Indexfonds-Anlage ohne aktives Management und mit einer prognosefreien Systematik: Investiert wird in internationale Aktienindizes, in Rentenindizes unterschiedlicher Laufzeit sowie in Edelmetalle. Daraus ergibt sich ein robuster Anlagemix, der – obwohl einfach gestrickt – zu verblüffend guten Anlageergebnissen führt.