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Börse aktuell: Kräftiger Schluck aus der Zinspulle
Die erwartete Leitzinserhöhung in den USA ist da: Die US-Notenbank Federal Reserve hat ihren Leitzins um ein sattes halbes Prozent angehoben. Damit liegt er nun in der Spanne von 0,75 bis 1,00 Prozent. Für die Fed ist das ein drastischer Schritt: Einen solch kräftigen Anstieg gab es seit 22 Jahren nicht. Normalerweise hebt die US-Notenbank den Leitzins in Tippelschritten von 0,25 Prozentpunkten an.
Trotzdem kündigte die Fed bereits eine weitere "rasche Straffung" ihrer Geldpolitik an. Bei kommenden Sitzungen des Zentralbankrats könnte wieder eine Erhöhung um 0,5 Prozentpunkte anstehen. Der Leitzins könnte so bis Jahresende locker bei rund zwei Prozent liegen. Die Märkte haben sogar bereits ein Zinsniveau von über 3% in den 10-jährigen US-Staatsanleihen eingepreist – ein Niveau das für nächstes Jahr erwartet wird.
Die Teuerungsrate in den USA ist aber auch so hoch wie seit Jahrzehnten nicht. Im März stiegen die Preise im Vergleich zum Vorjahresmonat um 8,5%, was dem höchsten Stand seit rund 40 Jahren entspricht. Angesichts dieser hohen Inflation stand die US-Notenbank unter großem Handlungsdruck. Den drastischen Anstieg begründet Notenbankchef Powell mit den Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine und Corona-Lockdowns in China, die die ohnehin schon angeschlagenen Lieferketten noch weiter schwächen.
Gleichzeitig hat aber die US-Wirtschaft wieder Fahrt aufgenommen. Die Arbeitslosenquote lag zuletzt bei niedrigen 3,6%. Die Löhne steigen stark in Branchen, in denen Talente knapp sind.
Für die Notenbank wird es daher zum schwierigen Balanceakt, einerseits die Inflation in Schach zu halten und andererseits die Konjunktur nicht abzuwürgen. Durch die höheren Zinsen wird es für die Banken und indirekt auch andere Wirtschaftsteilnehmer teurer, sich Geld zu leihen, was die wirtschaftliche Aktivität abbremst und damit eine Überhitzung der Wirtschaft verhindert. Es gebe eine gute Chance für eine "relativ sanfte" Landung der US-Wirtschaft, sagte der Notenbankchef Powell. Die US-Wirtschaft sei in einer starken Verfassung und könne deshalb auch eine straffere Geldpolitik verkraften.
Die Angst vor einer noch strafferen Geldpolitik hat die Märkte seit Wochen in Atem gehalten und die Renditen der Anleihen nach oben sowie im Gegenzug die Kurse der Zinspapiere wie auch der Aktien nach unten gedrückt.
Anleihebesitzer spüren die Folgen von Inflation und Zinspolitik momentan besonders heftig. Viele Bonds notieren im Vergleich zum Sommer vergangenen Jahres zweistellig im Minus.
Noch nie in der jüngeren Geschichte haben die Preiseinbrüche Anleiheanlegern potenziell mehr Verluste beschert als in diesem Frühjahr.
Bei anhaltender Inflation und steigenden Zinsen brauchen Anleiheanleger ein dickes Fell. Im Vergleich zwischen Anleihen und Aktien sieht es für Festverzinsliche derzeit düster aus.
Zumal jetzt anscheinend auch Europa nachzieht: EZB-Chefin Christine Lagarde gibt ihren Widerstand auf. Im April lag die Teuerungsrate in der EU bei 7,5%, dem höchsten Stand seit Einführung des Euro. Lagarde deutet laut Medienberichten eine Zinserhöhung im Juli an, sobald das Anleihekauf-Programm der Zentralbank zum Juli ausläuft. Es wäre das erste Mal seit dem Jahr 2016, dass die EZB ihren Leitzins anhebt und so dem Beispiel der US-Notenbank folgt.
Diese geht sogar noch einen Schritt weiter und kündigte im Rahmen des Zinsentscheids außerdem an, mit der Verkleinerung der aufgeblähten Bilanzsumme am 1. Juni zu beginnen. Bis August soll die Bilanzsumme um monatlich bis zu 47,5 Milliarden Dollar schrumpfen, ab September soll die Bilanzsumme dann mit einem Tempo von bis zu 95 Milliarden Dollar pro Monat abnehmen, indem Erträge aus fälligen Staatsanleihen und Hypothekenpapieren nicht mehr reinvestiert werden.
Durch den Aufkauf dieser Zinspapiere sowie durch weitere Maßnahmen hatte die US-Notenbank nach der Finanzkrise sowie nach dem Corona-Crash vierstellige Milliardenbeträge in die Finanzmärkte gepumpt und damit gleichzeitig ihre Bilanzsumme auf rund 8,9 Billionen US-Dollar aufgebläht. Allein seit März 2020 hat sich die Bilanzsumme ungefähr verdoppelt.
Die Anleger scheinen darauf zu vertrauen, dass die Fed das richtige Maß findet. Nach herben Verlusten in den letzten Wochen, fangen die Kurse an den Aktienmärkten an, sich zu stabilisieren. Doch das Thema Zinsen und Abbau von Überflussliquidität wird die Finanzmärkte über die nächsten Monate weiter begleiten. Je aggressiver die Notenbank auftritt, desto eher wird es wieder Kursrücksetzer geben. Andererseits ist die Anhebung des Zinsniveaus auch bereits zum Großteil eingepreist. Hier könnte es also auch durchaus positive Überraschungen geben, wenn das Statement der Notenbanker mal weniger „hawkish“ ausfällt.
Steuern: Bei der Grundsteuer wird’s jetzt ernst
Für Haus- und Grundstücksbesitzer wird es bei der Grundsteuer ernst. Einmal im Jahr zahlen sie die Steuer an das Finanzamt. Ab 2025 wird diese Abgabe neu berechnet. Für manche Eigentümer wird es etwas teurer, andere dürften dagegen sparen. Wie viel Geld sie in drei Jahren an das Finanzamt überweisen müssen, wird schon jetzt berechnet. In den kommenden Wochen erhalten Eigentümer von Immobilien Post vom Finanzamt. Sie werden aufgefordert, für ihren Grund und Boden bis zum 31.12.2022 eine neue Steuererklärung abzugeben. Wie bei allen Steuererklärungen sollte die Frist eingehalten werden. Sonst drohen Verspätungszuschläge.
Notwendig ist die Neuberechnung, weil das Bundesverfassungsgericht die aktuell geltende Grundsteuer als ungerecht eingestuft hat. Bisher wurde die Steuer nach dem sogenannten Einheitswert berechnet. Die Berechnungsgrundlage war allerdings so veraltet, dass die Verfassungsrichter ein neues Verfahren anmahnten.
Für die notwendigen Angaben brauchen Eigentümer ein paar Daten. Dazu gehören etwa die Nummer des Flurstücks, auf dem das Gebäude steht, die Wohnfläche und das Baujahr. Viele Zahlen lassen sich aus dem Kaufvertrag, dem Grundbuchauszug und der Teilungserklärung entnehmen. Bei dem sogenannten Bodenrichtwert ist das nicht so einfach. Diesen durchschnittlichen Quadratmeterpreis für ein Grundstück ermitteln die Gutachterausschüsse der Gemeinden. Die Werte geben diese bislang nur gegen eine Gebühr heraus. Seit Mitte April sollen die Daten auf Internetseiten der einzelnen Bundesländer kostenlos zur Verfügung stehen.
Fein raus ist da, wer sein Eigentum in Bayern hat. Der Freistaat hat im Gesetzgebungsverfahren durchgesetzt, dass das Land seine Steuer anders berechnen darf als der Rest der Republik. So orientiert sich in allen Bundesländern die Grundsteuer am Wert des Grundstücks auf der Basis der Bodenrichtwerte. In Bayern sind dagegen die Fläche und die Nutzung der Fläche entscheidend. Der Wert des Grundstücks spielt keine Rolle. Damit zahlt ein Hausbesitzer auf dem Land den gleichen Steuerbetrag wie ein Eigentümer des gleichen Hauses in der Stadt.
Auch Hessen und Niedersachsen gehen einen Sonderweg und berechnen die Steuer nach dem sogenannten Flächen-Faktor-Verfahren. Die Berechnung folgt dem bayerischen Modell, berücksichtigt aber noch die Lage über den Bodenrichtwert. Baden-Württemberg wiederum hat eine Kombination aus Bodenrichtwert und Grundstücksfläche eingeführt.
Abgegeben werden muss die Steuererklärung über ein Online-Formular im bundesweiten Steuerportal Elster. Dafür müssen sich Steuerpflichtige registrieren. Damit sollte man nicht zu lange warten. Es kann ein paar Wochen dauern, bis die Anmeldedaten per Post kommen. Wer das nicht möchte oder keinen Internetzugang hat, kann beim Finanzamt auch klassische Papierformulare abholen und ausfüllen.
Für Städte und Gemeinden ist die Grundsteuer eine wichtige Einnahmequelle. Rund 15 Milliarden Euro nahmen die Gemeindekämmerer zuletzt damit ein. Wenn es nach dem Willen des Gesetzgebers geht, wird sich an dem gesamten Aufkommen nichts ändern. Dennoch kann es für einzelne Eigentümer günstiger, für Andere teurer werden. Auch für Mieter ist die Umstellung wichtig. Die Grundsteuer gehört zu den sogenannten umlagefähigen Nebenkosten. Das bedeutet, der Vermieter kann die Steuer auf seine Mieter abwälzen. Manche Mieter werden so etwas mehr bezahlen müssen, andere dagegen ein paar Euro sparen.
Unsere Empfehlung:
Links zu den Grundsteuerseiten der einzelnen Bundesländer gibt es unter www.grundsteuerreform.de
Krypto-Investments: Alles Lug und Betrug?
Anleger an den Krypto-Märkten sind einiges gewohnt. Die Geschehnisse in den letzten Tagen, die zum Ende des Stable-Coin-Projekts Terra/LUNA führten, sind aber selbst für hartgesottenste Kryptorianer frappierend.
Doch der Reihe nach: Skandale sind bei den virtuellen Krypto-Währungen nichts Neues. Dies liegt jedoch oftmals an der blinden Gier vieler Anleger.
So gab es vor einigen Monaten einen „Squid Game“-Coin. Viele Fans der gleichnamigen Netflix-Serie sahen darin ein gutes Investment und investierten, ohne nachzudenken. Am Ende stellte es sich jedoch als reiner Betrug heraus: die Initiatoren machten sich mit den eingesammelten Millionen der Anleger aus dem Staub. Ein Fall von mehreren: nach einer gewissen Ruja Ignatova, der Initiatorin eines anderen Projekts (OneCoin), wird inzwischen sogar öffentlich gefahndet, auch über „Aktenzeichen XY... ungelöst“.
Daneben gibt es weitere Projekte, die Mal mehr Mal weniger Fragezeichen aufwerfen. Der von Tesla-Chef Elon Musk gerne per Twitter promotete „DogeCoin“ war eigentlich als Gag gedacht und hat mit der japanischen Version „Shiba Inu“ sogar einen weiteren Hunde-Coin-Nachahmer gefunden – realer Nutzen praktisch Null.
Das war bei dem Projekt „Terra/LUNA“ durchaus anders: Terra galt als eines der interessantesten und ambitioniertesten Krypto-Projekte überhaupt. Obwohl es auch hier Kritiker gab, zeigte sich die Masse der Experten und auch Anleger begeistert. Das hatte auch seine Gründe. Schließlich wollten die Macher hinter dem Projekt am Ende nichts weniger erschaffen als eine De-Zentralbank der Welt.
Hierzu gab man sogenannte „Stable Coins“ aus, die 1:1 an eine klassische Währung (z.B. US-Dollar) gebunden sind. Bei Terra gab es drei Varianten, nämlich mit Bindung an den US-Dollar, an den Euro sowie an den Südkoreanischen Won.
Stable-Coins sind im Kryptomarkt etabliert und dienen vielen Anlegern als Parkanlage: So müssen sie ihr Geld nicht in die reale Welt zurücktauschen, wenn sie die üblichen, starken Kursschwankungen in den Coins vermeiden wollen, und können jederzeit sehr schnell wieder neu investieren.
Um die 1:1-Bindung herzustellen, wäre es für einen Stable-Coin naheliegend einfach die entsprechende Menge US-Dollar als Sicherheit zu halten. Bei Terra setzte man jedoch nicht auf physisch vorhandene Sicherheiten, sondern auf einen Algorithmus, der Nutzern Anreize dafür bot, dass sie den Kurs stabil halten. Hierfür brauchte man neben dem Stable Coin einen zweiten Coin, den man auf den Namen LUNA taufte.
Das System lief über mehrere Jahre gut, weshalb der LUNA Coin auch stieg und stieg. Lag er 2020 im Tief noch um 0,20 USD, stieg er Anfang April 2022 auf ein Allzeithoch knapp unterhalb von 120 USD. Die Welt schien in bester Ordnung, zumal das Ökosystem durch weitere Projekte wuchs.
Doch im Hintergrund wurde offensichtlich eine koordinierte Attacke auf Terra vorbereitet: Unlimitierte Massen-Verkäufe ließen zunächst den Kurs des Stable-Coins abstürzen, so dass die Bindung an den US-Dollar komplett aufbrach. Die Liquidität in diesem Markt wurde ausgetrocknet.
Indem die Nutzer versuchten, dagegen zu halten, wurde der Schwester-Coin LUNA hyperinflationär und fiel im Kurs wie ein Stein. Eine Lawine entstand: Als das System noch stabil lief, gab es knapp eine Milliarde LUNA; in nur einer Woche stieg der Umlauf auf 6,53 Billionen LUNA (6.530 Milliarden!). Bisher gelang es niemandem das System wieder zu stabilisieren. Der Stable Coin notiert daher nur noch bei 0,13 US-Dollar und der LUNA bei fast null. Offensichtlich war bei Terra kein Not-Stopp des Systems vorgesehen. Am Aktienmarkt kennt man dies von vorübergehenden Handelsaussetzungen, damit sich aufkommende Panik am Markt wieder beruhigen kann. Das Terra-Projekt ist damit wohl gestorben. Selbst bei einem Reset des Systems ist das Vertrauen der vielen geschädigten Anleger verloren. „Vertrauen aufbauen dauert Jahre, Vertrauen verspielen geht in einer Sekunde!“, sagte schon Warren Buffett.
Unsere Einschätzung:
Dass in einem neuen, unregulierten Umfeld Betrügereien vorkommen, ist nicht ungewöhnlich. Grundsätzlich ist dies jedoch kein Problem der Kryptos selbst. Schließlich würde man wegen einzelner Betrugsfälle im Aktienmarkt (Enron, Worldcom, Wirecard) auch nicht den kompletten Aktienmarkt abschaffen. Wer Zweifel hat, muss ja nicht investieren.
Jeder, der sich mit Kryptos beschäftigt, muss sich - wie bei jedem anderen Investment – intensiver mit der Materie auseinandersetzen und am besten eigene Recherche betreiben. Anders als beim Einlagensicherungssystem der Banken gibt es im Krypto-Markt keine Instanz, die im Fall der Fälle zur Rettung einspringt. Hier ist jeder Anleger auf sich allein gestellt. Und nur aufgrund eines Tweeds von Elon Musk in einen Coin zu investieren, ist genauso gefährlich, wie einer Aktienempfehlung eines selbst ernannten Gurus zu folgen.