Anlegerbrief

Anlegerbrief März 2022

Der russische Bär lässt die Börsenkurse abstürzen. Die Lage ist aktuell unberechenbar, aber nicht hoffnungslos. Lesen Sie außerdem, warum sich die Europäische Notenbank in eine heikle Lage manövriert hat, und welche guten Gründe dafür sprechen, trotz der Krise an Investments festzuhalten.
Dr. Marc-Oliver Lux
March 15, 2022
Der Dr. Lux & Präuner Anlegerbrief

Inhalt

Börse aktuell: Kurse unter Beschuss

Die Märkte sind im Angstmodus. Der Volatilitätsindex VDAX hat sich in den letzten Wochen fast verdoppelt. Die zum Jahresende noch so optimistische Anlegerstimmung hat sich innerhalb weniger Wochen komplett gedreht. Der Absicherungsbedarf unter den institutionellen Anlegern ist mittlerweile hoch. Schuld daran sind nicht nur die wachsenden Inflationssorgen, sondern vor allem natürlich der Krieg in der Ukraine.

Politiker und Börsianer scheinen nicht an den Einmarsch der Russen geglaubt zu haben und zeigten sich überrascht. Doch eigentlich standen alle Warnsignale auf Rot, dass Putin das Vorgehen auf der Krim wiederholen könnte. Nach freiem Fall unmittelbar nach Kriegsbeginn scheinen die Börsen immerhin einen ersten Boden gefunden zu haben. Der stockende Vormarsch der russischen Truppen und die immer wieder neu anberaumten Verhandlungstreffen machen etwas Hoffnung. In der Zwischenzeit gehen die Angriffe auf ukrainische Städte jedoch weiter, so dass die Börsenentwicklung kurzfristig ein Spielball des Krieges bleibt.

Für die globale Wirtschaft ist der Schaden überschaubar, erst recht für die USA. Russland spielt wirtschaftlich auch deshalb eine untergeordnete Rolle, weil der Handel mit dem Land bereits in den vergangenen zehn Jahren stark zurückgegangen ist. Nach Angaben der deutsch-russischen Auslandshandelskammer sind derzeit noch gut 3600 Unternehmen mit deutschem Kapital in Russland engagiert. Vor zehn Jahren waren es fast doppelt so viele.
Während der Handel mit China und vielen Schwellenländern zunahm, sank er mit dem flächenmäßig größten Land auf der Erde. Das gilt erst recht für die amerikanischen Unternehmen. Deshalb reagiert die Wall Street weniger stark auf die Eskalation in Osteuropa.

Da wo Russland immer punkten konnte, ist die Lieferung von Rohstoffen, insbesondere von Öl und Gas. Der Krieg hat deshalb den Öl- und Gaspreis explodieren lassen. Die Gefahr nachhaltig hoher Energiepreise kann die Aktienmärkte auch künftig belasten – vor allem in Europa. Russland beteuert zwar, seinen Vereinbarungen nachzukommen und auch weiterhin Gas nach Westeuropa zu liefern. Das Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Russen als Rohstofflieferant ist jedoch dahin. Die Länder – allen voran Deutschland -, die sich vorher gerne aus Russland haben beliefern lassen, werden sich früher oder später nach Alternativen umsehen. Inzwischen belastet die teure Energie jedoch zunehmend Verbraucher und Unternehmen. Das Ergebnis werden weniger Konsum, Gewinne und Dividenden sein. Daraus erwächst speziell den europäischen Börsen eine zusätzliche Belastung, genauso wie aus der anhaltend hohen Inflation. Sie wird durch die steigenden Strom-, Gas- und Ölpreise abermals nach oben getrieben.
Für die US-Märkte sehen die Aussichten hingegen nicht schlecht aus. Dort sind auch bereits einige Zinsschritte der Notenbank in den Kursen eingearbeitet, so dass es vielleicht zu positiven Überraschungen kommen könnte, wenn die Federal Reserve vorsichtiger agiert.

EZB in heikler Lage

Zinsen: EZB in heikler Lage

Märkte und Verbraucher erwarten schon länger die geldpolitische Wende, doch bisher hat sich die Europäische Zentralbank (EZB) immer geziert. Erst auf der letzten EZB-Sitzung im März hat die EZB-Chefin Christine Lagarde ihre Tonalität etwas verändert: Die monatlichen Anleihekäufe sollen in einigen Monaten eingestellt werden. Von Zinserhöhung war aber nicht die Rede.

Die sich zuspitzende Ukraine-Krise verschärft jedoch eine Situation, die vorher schon kompliziert genug war: Die Inflation im Euro-Raum ist über fünf Prozent gestiegen und Daten wie etwa die Erzeugerpreise gewerblicher Produkte sprechen dafür, dass das noch anhält.
Die deutschen Erzeugerpreise lagen laut Statistischem Bundesamt im Januar, hauptsächlich von der teuren Energie getrieben, um 25% über dem Niveau des Vorjahresmonats, das war der höchste Sprung seit 1949. Die Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale wächst.

Die EZB ist mit dem größten Teuerungsschub seit Einführung des Euros konfrontiert. Selbst wenn es gute Gründe für die Notenbank gibt, noch nicht zu handeln, macht sie sich doch einer kommunikativen Fehlleistung schuldig. Die EZB setzt ihre Glaubwürdigkeit aufs Spiel und geht ein sehr hohes Risiko ein.
In der Geldpolitik sind Worte fast genauso wichtig wie Taten. Mit gezielten verbalen Hinweisen lenken erfahrene Notenbanker die Märkte in die gewünschte Richtung; das hilft, die eigentlichen geldpolitischen Entscheidungen vorzubereiten und abzufedern. Vorausgesetzt, die Investoren sind davon überzeugt, dass es sich niemals lohnt, gegen die Zentralbank zu wetten. Wird dieses Paradigma infrage gestellt, droht Chaos an den Märkten.

Dieser Effekt ließ sich zuletzt in den USA beobachten. Ähnlich wie Lagarde hatte sich Fed-Chef Jerome Powell frühzeitig auf die These festgelegt, die Inflation sei nur "vorübergehend". Allerdings verloren die Märkte schnell den Glauben an diese Einschätzung. Damit stand der Verdacht im Raum, die Fed würde zu spät auf die Teuerung reagieren und später dann umso heftiger gegensteuern müssen, auch um ihre Glaubwürdigkeit im Kampf gegen die Inflation zu untermauern. Die Angst, dass auf ein unterschätzen der Inflation eine Überreaktion der Geldpolitik folgen würde, reichte, um heftige Ausschläge an den Finanzmärkten auszulösen.

Viel zu lange hat auch Lagarde an ihrer Aussage festgehalten, es werde 2022 keine Zinserhöhung geben. Mit dieser Festlegung hat sie sich ihrer eigenen Flexibilität beraubt. Den Investoren fehlte längst vor Lagardes Relativierung nach der jüngsten EZB-Sitzung der Glaube an diese Botschaft. Viele halten angesichts der Inflationsdynamik mittlerweile sogar zwei Zinsschritte für gerechtfertigt.

Jetzt steckt die Notenbank in einer schwierigen Lage. Es stellt sich die Frage, ob der Wegfall der geldpolitischen Unterstützung in einer Situation ratsam ist, die von Krieg und Sanktionen gekennzeichnet ist. Eine zu schnelle Straffung der Geldpolitik würde die Stabilität der hochverschuldeten Euro-Länder gefährden, aber wenn Hinhaltetaktik zu Verwerfungen an den Märkten führt, droht genau der gleiche Effekt.


Unsere Einschätzung:
Die EZB steht erst am Anfang eines waghalsigen Drahtseilakts - und hat sich bei den ersten Schritten bereits mehrere Wackler geleistet. Die Ukraine-Krise verschärft das Dilemma der EZB. Die horrenden Energiepreise nehmen die europäische Industrie schon jetzt in die Mangel. Da kann man nicht auch noch höhere Zinsen gebrauchen. Kann gut sein, dass Lagarde deshalb weitere Warteschleifen einlegt.
Für Zinssparer gibt es deshalb immer noch keine guten Nachrichten. Europa hinkt den USA in Bezug auf höhere Zinsen mindestens ein halbes Jahr hinterher. Zinsanlagen bleiben weiterhin uninteressant, denn jeder Zinsschritt nach oben bedeutet Kursverluste bei Anleihen und Rentenfonds.

Hoffnungsschimmer an der Börse

Den Turbulenzen trotzen: Gute Gründe, investiert zu bleiben

So hatten sich die meisten Marktteilnehmer den Jahresauftakt wohl nicht vorgestellt: Statt munter weiter zu steigen, korrigierten die Börsen rund um den Globus erst mal kräftig – wegen der Omikron-Corona-Welle, wegen der Zinswende in USA, wegen des Ukraine-Konflikts.
Hier sind ein paar "Mutmacher", warum Sie sich dennoch nicht von Ihren Papieren trennen sollten:

1. Kontinuierlicher Anstieg der Gewinnerwartungen
Obwohl in den letzten beiden Monaten weitere US-Zinsanhebungen am Markt eingepreist wurden, kann man keinen negativen Effekt auf die Gewinnerwartungen von DAX und S&P 500 für das aktuelle und das folgende Kalenderjahr beobachten. Im Gegenteil: Die Gewinnerwartungen legten kontinuierlich zu. Eine restriktivere US-Geldpolitik wird von den Analysten also eher als unkritisch angesehen. Das Kalkül: Gelingt es, die Inflation einzudämmen, schont das die Margen der Unternehmen.

2. Überraschend hohe Unternehmensgewinne
Die Ergebnisse amerikanischer Unternehmen für das oft schlecht geredete vierte Quartal 2021 überraschten überwiegend positiv. Viele Erwartungen waren wohl zu pessimistisch. Im Schnitt lagen die veröffentlichten Unternehmensgewinne ca. 6% über den Analysten-Prognosen.

3. Starke Auftragslage und stabiler Arbeitsmarkt
Die Risikoprämien für Aktien, die Anleger angesichts der Omikron-Welle verlangten, waren zuletzt sehr hoch. Dieser Aufschlag könnte im Jahresverlauf wieder sinken und damit die Kurse steigen. Die nachweislich starke Auftragslage der Unternehmen sowie ein stabiler Arbeitsmarkt in Europa und den USA sollten das Ausmaß und den Zeitrahmen von Wachstumseinbußen begrenzen.

4. Blick in die Vergangenheit
In Summe konnten sowohl der S&P 500 als auch der DAX über die meist mehrjährige Dauer der vergangenen vier US-Zinsanhebungszyklen hinweg (1994-1995, 1999-2000, 2004-2006, 2015-2018) stattliche Kurssteigerungen verbuchen. Hätte man während dieser Zyklen Geld in die beiden Indizes investiert, hätte man für den DAX einen durchschnittlichen jährlichen Kursgewinn von 9,6% erzielt. Für den S&P 500 wären es in US-Dollar immerhin 5,6% gewesen.

5. Rückkehr zur "Normalität" absehbar
Insbesondere in Europa bestehen noch erhebliche realwirtschaftliche Nachholeffekte im Nachgang von Corona. Die Auftragsbücher der Automobil- und Investitionsgüter-Hersteller sind immer noch prall gefüllt. Sobald sich der Vorproduktemangel entspannt, können die Aufträge abgearbeitet werden und endlich die aufgeschobenen Gewinne realisiert werden. Große deutsche Autobauer hätten sich kürzlich optimistisch geäußert, dass ihre Produktion bis Ende 2022 zur "Normalität" zurückkehren werde.

6. Inflationsprofiteure
Es gibt auch Inflationsprofiteure: Dazu zählen insbesondere Energie- und Rohstofftitel sowie Banken und Automobilhersteller.

7. Die Fed wird sich hüten, die Konjunktur abzuwürgen
Last but not least kann man auch auf ein besonnenes Vorgehen der US-Notenbank vertrauen. Denn aufgrund ihres dualen Mandats, neben der Preisstabilität auch einen hohen Beschäftigungsstand anzustreben, besteht auch hier kein Interesse, die Konjunktur durch übertriebene Maßnahmen abzuwürgen.

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