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Börse aktuell: Das Jahr der Anakonda am Anleihenmarkt
Für Anleihendepots endet dieses Börsenjahr überhaupt nicht fröhlich, sondern eher ziemlich schaurig. Die Performance europäischer Staatsanleihen notiert auf Sicht von einem Jahr mit krassen 17,2% im Minus – nominal wohlgemerkt. Real sieht die Lage noch übler aus. So hohe Verluste türmten Anleihen seit 35 Jahren nicht mehr auf. Es ist natürlich vor allem dem steilen Renditeanstieg innerhalb weniger Monaten geschuldet.
Dabei ähnelt die Zinskurve in Europa und USA einer riesigen Anakonda: Während ihres langen Schlummers erregte sie kaum Aufmerksamkeit, bringt die Märkte aber zum Zittern, sobald sie erwacht und ihren Kopf erhebt. Viele Jahre lang haben langlaufende Staatsanleihen den Anlegern ein Lächeln ins Gesicht gezaubert: Die mehrjährige Nullzinspolitik der Notenbanken machte Finanzierungen günstig und bescherte immer wieder gute Kursgewinne bei langlaufenden Anleihen. Jetzt, wo die Anakonda endlich erwacht ist, zeigen die Bewegungen bei den Renditen ihre giftige Wirkung, indem sie die Preise für Verschuldung auf der ganzen Welt nach oben treiben und Anleihekurse fallen lassen.
Angesichts teilweise zweistelliger Inflationsraten flüchtete sich manch Anleger in inflationsgebundene Anleihen. Klingt nach dem perfekten Zufluchtsort. Doch auch hier ist die Bilanz erschreckend: Vergleichsindizes von inflationsgebundenen Anleihen sind im Jahresverlauf um mehr als 30% gefallen. Was war hier los? Zwar bieten inflationsgebundene Anleihen den Vorteil, dass ihr Kapital und ihre Kupons an die Inflation gekoppelt sind. Sie haben aber auch einen entscheidenden Nachteil: ihre teilweise lange Duration (= durchschnittliche Kapitalbindungsdauer). In einem inflationären Umfeld, in dem die Zentralbanken massiv die Zinsen erhöhen, kann dies zum Bumerang werden.
Von der letzten US-Notenbank-Sitzung im November erhofften die Marktteilnehmer Signale für ein zukünftig gemäßigteres Vorgehen der Federal Reserve. Laut veröffentlichtem Sitzungsprotokoll kam der Offenmarktausschuss der US-Notenbank tatsächlich zu dem Schluss, dass die Zentralbank das Tempo der Zinserhöhungen bald drosseln sollte, um das Risiko einer übermäßigen Straffung der Geldpolitik zu verringern. Nach vier Erhöhungen um 75 Basispunkte in Folge sollten somit ab Dezember „nur“ noch Zinsschritte um 50 Basispunkte folgen. Doch gleichzeitig erklärte Fed-Chef Jerome Powell auf der Pressekonferenz, dass die Zinsen letztendlich auf ein höheres Niveau steigen und auch länger hoch bleiben dürften, als die Fed-Prognosen bisher vermuten ließen. Powell räumte auch ein, dass der Leitzins über die Kerninflationsrate (aktuell bei 6,5%, Tendenz leicht fallend) steigen müsse, denn wenn der reale Leitzins negativ ist, sei die Politik eindeutig nicht straff genug. Für die Beobachter des Anleihenmarkts, die sogar schon wieder mit Zinssenkungen im Jahr 2023 gerechnet hatten, war dies wie eine kalte Dusche. Genießen Sie dafür die Weihnachtszeit am warmen Ofen!
Steuern: Immobilien vererben wird erheblich teurer
Auch wenn die Regierung versprochen hatte, dass es keine Steuererhöhungen geben soll, wird zumindest wohl das Vererben und Schenken von Immobilien ab 2023 teurer. Grund dafür: eine Anpassung des Bewertungsgesetzes.
Von 1. Januar an sollen Immobilien steuerlich viel höher bewertet werden. Experten gehen von Steigerungen um 20 bis 30% aus, selbst ein Plus von 50% sei kein Ausreißer. Die Änderungen für die Wertberechnung von Immobilien bringt die Bundesregierung gerade im Zuge des Jahressteuergesetz 2022 ein, das noch zum Jahresende verabschiedet werden soll. Die Änderung würde seit Langem die größte Erhöhung der Erbschaft- und Schenkungsteuer durch die Hintertür auf den Weg bringen.
Wie läuft die Bewertung von Immobilien ab?
Für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer und der Grunderwerbsteuer erfolgt die Bewertung von Immobilien nach dem Bewertungsgesetz. Darin sind unterschiedliche Bewertungsverfahren für verschiedene Immobilientypen vorgesehen. Zum Bespiel wird ein Einfamilienhaus anhand von Vergleichswerten bewertet. Fehlen Vergleichswerte, findet das Sachwertverfahren Anwendung. Eine vermietete Immobilie wird im Rahmen des sogenannten Ertragswertverfahrens bewertet. Ertragswert- und Sachwertverfahren ist gemein, dass sie nach einem standardisierten Schema ablaufen, das auf verschiedenen festzulegenden Rechengrößen beruht. Welche Stellschrauben ändern sich also?
Neue Vorschriften im Sachwertverfahren
Das Finanzamt schaut im Falle eines Erbes oder einer Schenkung zunächst, ob Vergleichswerte aus Verkäufen in der Umgebung vorliegen. Häufig sei das nicht der Fall. Dann legt das Finanzamt das sogenannte Sachwertverfahren zugrunde. Dabei wird berechnet, wie viel es kosten würde, dieselbe Immobilie heute zu kaufen und zu bebauen. Dieser Wert wird mit einer Reihe von Faktoren kombiniert, die sich ändern.
So nimmt das Finanzamt künftig an, dass eine Wohnimmobilie 80 statt bisher 70 Jahre genutzt wird. Dadurch fällt die Minderung des Alterswerts geringer aus, und der Restwert steigt.
Am stärksten wirken sich aber die Änderungen des sogenannten Sachwertfaktors aus. Dieser soll die Marktlage abbilden und wird am Ende mit dem errechneten Restwert der Immobilie multipliziert. Bisher liegt der Sachwertfaktor je nach Region und Immobilie bei 0,9 bis 1,1, künftig soll er 1,3 bis 1,5 betragen – das allein kann schon eine massive Wertsteigerung bedeuten. Zudem wird ein Regionalfaktor eingeführt, der in boomenden Regionen obendrauf kommt. Beträgt er beispielsweise 1,1, wird das Haus am Ende noch mal zehn Prozent höher bewertet. Mit diesem Regionalfaktor soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die Baukosten für das gleiche Projekt nicht in allen Regionen Deutschlands gleich hoch sind.
Der Regionalfaktor soll grundsätzlich vom örtlichen Gutachterausschuss ermittelt werden und beträgt im Ausgangswert 1,0 – sofern hier noch kein Wert vorliegt. Die derzeit vorliegenden Regionalfaktoren variieren von 0,84 in strukturschwächeren Regionen bis 1,52 in München.
Neue Vorschriften im Ertragswertverfahren
Beim Ertragswertverfahren, das vor allem bei vermieteten Immobilien zur Anwendung kommt, ändern sich vor allem die Ermittlung der Bewirtschaftungskosten und der Liegenschaftszinssatz. Bisher konnten Eigentümer für die Kosten eine großzügige Pauschale geltend machen, künftig müssen sie alles wesentlich differenzierter anhand Quadratmeterzahl, Rohertrag, Instandhaltungskosten und Mietausfallwagnis nachweisen, was in der Regel zu deutlich niedrigeren Abschlägen führen wird. Auch der pauschale Liegenschaftszinssatz soll dort, wo durch die Gutachterausschüsse kein Wert vorliegt, herabgesetzt werden, was ebenfalls zu höheren Immobilienwerten führen wird.
Wer ist betroffen?
Betroffen sind im Ergebnis alle privaten Eigentümer von Immobilien in Deutschland, sofern die Immobilien anhand des Ertragswert- oder Sachwertverfahrens bewertet werden. Für sie wird sich die Steuerbelastung bei Schenkungs- und Erbfällen unmittelbar erhöhen, denn Freibeträge werden schneller ausgeschöpft sein.
Unsere Einschätzung:
Wieder einmal bringt der Gesetzgeber massive Veränderungen des Steuerrechts kurz vor knapp zur Abstimmung. Darauf zu reagieren, bleibt kaum noch Zeit. Steuerberater und Notare werden zum Jahreswechsel mal wieder alle Hände voll zu tun haben, um noch Altregelungen zu sichern.
Eines muss man dem Gesetzgeber lassen: Die Einführung dieser erheblichen Erhöhung der Erbschaft- und Schenkungsteuer, von der Millionen Immobilieneigentümer in Deutschland betroffen sein werden, wurde geschickt auf den Weg gebracht, indem die „Grausamkeiten“ auf zwei Schritte aufgeteilt wurden (Verschärfung der Wertermittlungsverordnung in 2021 und nun die Umsetzung auf die Erbschaft- und Schenkungsteuer). Die eigentlich zu erwartende öffentliche Diskussion wurde so vermieden.
Bitcoin: Winter in der Kryptowelt
Bitcoin & Co erfahren die schlimmsten Zeiten seit Bestehen. Die Szene spricht schon vom „Kryptowinter“. Die Preise sämtlicher Kryptowährungen kennen seit Monaten nur einen Weg: nach unten – und wie!
Noch vor einem Jahr war die Kryptomanie auf ihrem Höhepunkt und Bitcoin hatte die Marke von 67.000 Dollar überschritten. Überschwängliche Vorhersagen waren damals überall zu hören, die 100.000 USD-Marke nur noch eine Frage der Zeit. Bitcoin würde mittelfristig Gold verdrängen.
Die Realität sieht anders aus: Aktuell ist 1 Bitcoin schon für weniger als 17.000 USD zu haben, Tendenz weiter fallend.
Das Interesse von Anlegern ist praktisch zum Erliegen gekommen, Dies macht zunehmend auch großen Playern im Kryptomarkt zu schaffen. Wieder ist mit der Handelsplattform FTX.com ein bekanntes Krypto-Imperium an einer irreparablen Liquiditätskrise zusammengebrochen. Ein Rettungsversuch durch den Mitbewerber Binance scheiterte. Gründer von FTX war eine Ikone der Kryptowelt: Sam Bankman-Fried stand im September noch auf dem Titelblatt von „Forbes“ als einer der 400 reichsten amerikanischen Kapitalisten mit einem Vermögen von 26 Milliarden USD. Das Vermögen hat sich von jetzt auf gleich in Luft aufgelöst.
Der plötzliche Niedergang von FTX.com könnte die Aussichten der Anlageklasse, in Mainstream-Portfolios aufgenommen zu werden, dauerhaft zusetzen. Keines der bisherigen Implosionen und Skandale war so vernichtend wie die Enthüllung, dass sogar FTX unsolide war. Die Börse galt in der Kryptobranche bis vor Kurzem als einer der renommiertesten Namen.
Eingefleischte Anhänger von Kryptowährungen gibt es zwar nach wie vor. Unter institutionellen Investoren steigt die Abneigung. Viele professionelle Fondsmanager sind der Meinung, dass die Argumente für digitale Devisen als Portfolio-Diversifizierer, als digitales Gold oder gar sicheren Hafen entkräftet wurden. Die Verluste seien zu groß und die Marktstrukturen zu riskant. Es sei nur eine Frage der Zeit, bis noch mehr Investoren abspringen und die Kryptopreise weiter einbrechen. Für den Moment bekommen somit eher die Kritiker recht, die das ganze System zum Scheitern verurteilt sehen.
Unsere Einschätzung:
Der Kryptomarkt folgt wohl dem Beispiel Internet. Der Euphoriephase um die Jahrtausendwende folgte der Zusammenbruch und der Auswasch unsolider Konzepte. Auch im Kryptomarkt werden viele Projekte und Anbieter nicht überleben. Zumal aufgrund der hohen Geldströme, die hier mittlerweile bewegt werden, auch immer der Betrug um die Ecke lauert. Insofern kann der Winter in der Kryptowelt noch lange andauern, bis sich die Spreu vom Weizen getrennt hat und die Hybris aus dem Markt herausgespült ist. Spätestens aber wenn der Bitcoin für tot erklärt wird, könnte ein interessantes Einstiegsniveau erreicht sein.