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Börse aktuell: Zwischen Hoffen und Bangen
Die Aktienmärkte reagieren zurzeit unschlüssig – hin- und hergerissen von mal positiveren mal negativeren Nachrichten aus der Ukraine. Positiv ist die Widerstandskraft des ukrainischen Militärs, und dass eine schnelle Einnahme ukrainischen Territoriums misslungen ist. Die Russen scheinen vielmehr im Schlamm rund um Kiew steckengeblieben zu sein. Das hat auch dem deutschen Aktienindex DAX zu einer Erholungsrallye geholfen, die immerhin bis zu 60% der Verluste seit Jahresanfang wettmachen konnte.
Aktuell bröckeln die Kurse wieder etwas. Denn während sich die Lage an der Ostfront zumindest etwas „stabilisiert“, fällt der Blick der Börsianer wieder mehr auf das zweite wichtige Thema Zinsen. Die Inflation galloppiert den Notenbankzielen zunehmend davon, und so lechzt der Markt geradezu nach Erhöhungen der Leitzinsen. Immer mehr Marktteilnehmer gehen davon aus, dass der nächste Zinsschritt der amerikanischen Notenbank kräftiger ausfallen muss und eher bei 0,50% anzusetzen ist.
Den Zinsgelüsten stehen aber vor allem in Europa die wirtschaftlichen Auswirkungen des Ukraine-Kriegs entgegen. Die Sanktionen treffen nicht nur Russland, sondern gerade auch industriestarke und exportorientierte Nationen wie Deutschland. Der politische Druck auf unsere Regierung steigt. Die in der Vergangenheit immer stärkere Ausrichtung auf russische Energieimporte bei gleichzeitiger Blockade alternativer Beschaffungswege - meist aus Umwelt-Gründen - rächt sich nun. Seit über 20 Jahren wird der Bau eines Flüssiggas-Terminals an der deutschen Küste diskutiert und nie umgesetzt. Ausgerechnet unter einer grün gefärbten Regierung, die sich den möglichst raschen Ausstieg aus dem fossilen Energiemix auf die Fahne geschrieben hat, muss nun alles ganz schnell gehen. Nach dem Tesla-Modell „Erst bauen, dann fertig genehmigen lassen“, soll schon bis Ende 2023 zumindest ein Teil der Gasimporte aus Russland ersetzt werden.
Sollte es jedoch in den nächsten Wochen doch noch zu einem Öl- und/oder Gasembargo kommen, könnte gerade die deutsche Wirtschaft in eine Rezession rutschen. Eine „Stagflation“ – d.h. schwaches Wirtschaftswachstum bei hoher Inflation – könnte drohen. Verständlicherweise reagieren besonders die deutschen Politiker zurückhaltend auf die Idee einer weiteren Verschärfung der Wirtschaftssanktionen gegen Putin. Ohnehin ist zu befürchten, dass uns der Krieg noch lange beschäftigen wird, die Sanktionen aber erst mittelfristig ihre volle Wirkung entfalten. In der Zwischenzeit gibt es mit Ungarn schon die ersten Quertreiber. Und sollte in Frankreich eine Madame Le Pen reüssieren, dann dürfte es mit der europäischen Einigkeit schnell „perdu“ sein. Die Unsicherheiten bleiben daher groß, gerade an den europäischen Märkten. Trotz Zinswende sind Investoren mit Anlagen in den USA wohl aktuell besser bedient.
Zinsen: Alles wird teurer
Aldi hat die Preisrunde eröffnet – und die anderen Händler ziehen nach: Butter wurde so in den letzten Tagen einfach mal 40% teurer. Nach den Energiekosten steigen nun auch die Lebensmittelpreise deutlich. Und es geht weiter – in allen Bereichen, teils weil Vorprodukte teurer wurden, teils weil durch Lieferengpässe bestimmte Waren nicht mehr in ausreichender Menge lieferbar sind (z.B Geschirrspüler, Waschmaschinen).
So konzentrieren sich Automobilhersteller wegen des Chipmangels auf teurere Fahrzeuge mit hohen Margen. Rabatte beim Autokauf gibt es kaum noch; dafür umso längere Lieferzeiten, besonders bei Kleinwagen.
Auch Bankkunden müssen sich in diesem Jahr auf höhere Gebühren für ihr Girokonto einstellen: Etwa die Hälfte der deutschen Kreditinstitute plant für 2022 Gebührenerhöhungen oder hat ihre Kontoentgelte bereits angehoben.
Die Inflation ist in vollem Gange, und die Notenbanken müssen nachziehen: Zum ersten Mal seit 2018 hat die US-Notenbank Fed wieder ihren Leitzins erhöht. Der Leitzins stieg wie erwartet um 25 Basispunkte und liegt aktuell in einer Spanne zwischen 0,25 und 0,50 Prozent.
Vielen Kritikern zufolge reagiert die US-Notenbank jedoch viel zu spät auf die drastisch gestiegene Inflation. Zuletzt hatte die Inflationsrate in den USA bereits 7,9% betragen, was dem höchsten Stand seit rund 40 Jahren entspricht. Eigentlich strebt die Notenbank eine Inflationsrate von mittelfristig 2% an.
Die Fed muss also mehr tun. Ihre milliardenschweren Anleihekäufe zur Stützung der Wirtschaft hatte die Notenbank bereits Anfang März eingestellt. Mit der Verringerung ihrer Bilanzsumme, also dem Verkauf der gehaltenen Anleihen, will die Fed demnächst beginnen - zusätzlich zu weiteren Zinserhöhungen.
Eine regelmäßig veröffentlichte Umfrage unter den Mitgliedern des Fed-Offenmarktausschusses zeigt, dass diese bis Jahresende im Median einen Leitzins von 1,88% erwarten. Das wären stolze 1,50% über dem aktuellen Niveau. Für Ende 2023 wird ein Leitzins von 2,80% in Aussicht gestellt, was sogar über den bisherigen Markterwartungen liegt. Bei den genannten Werten handelt es sich allerdings um die individuellen Einschätzungen der Mitglieder des Offenmarktausschusses und nicht um eine Prognose der Notenbank.
Durch die höheren Zinsen wird es für die Banken und indirekt auch andere Wirtschaftsteilnehmer teurer, sich Geld zu leihen, was die wirtschaftliche Aktivität abbremst und damit eine Überhitzung der Wirtschaft verhindert. Während das kurzfristige Zinsniveau direkt von der Notenbank gesteuert wird, hängt das längerfristige Zinsniveau vor allem von den Wachstums- und Inflationserwartungen des Anleihenmarktes ab.
An den längerfristigen Staatsanleihen orientieren sich auch z.B. die Bauzinsen. Zuletzt ist hierzulande die Rendite für zehnjährige Bundesanleihen auf knapp über +0,8% geklettert – ein neuer Höchststand seit Mitte 2015. Das hat auch den Zins für zehnjährige Baufinanzierungskredite verteuert – auf im Schnitt ca. 2,1%. Zum Vergleich: Im Dezember waren es noch 0,9%. Es handelt sich um den stärksten Zinsanstieg seit über 20 Jahren. Immobilienkäufer in spe werden also kräftig durchatmen müssen, denn die Zeiten günstiger Kreditkonditionen sind vorbei, noch höhere Hypothekenzinsen für zehnjährige Finanzierungen von 2,5 – 3,0% schon in den Sommermonaten sehr wahrscheinlich.
Einlagensicherung: Privatbanken ziehen Grenzen ein
Geht eine Bank pleite, springt die Gemeinschaft der anderen Institute ein, um zumindest die Gelder der Kunden zu sichern. Branchenriesen wie die Deutsche Bank oder die Commerzbank ändern nun ab 1. Januar 2023 schrittweise ihre Bedingungen für die Entschädigung von Kundeneinlagen.
Die Reformierung der Einlagensicherung ist eine Konsequenz aus der Pleite der Bremer Greensill Bank. Das teilt der Bundesverband deutscher Banken (BdB) mit. Der gesetzliche EU-Einlagenschutz, der im Fall einer Banken-Insolvenz Guthaben in Höhe von 100.000 Euro pro Kunde und Bank sichert, ist von der Reform aber nicht betroffen.
Konkret haben die Häuser beschlossen, dass ab kommendem Jahr neue Obergrenzen für die Entschädigungszahlungen gelten. Verbraucher, Stiftungen und Gesellschaften bürgerlichen Rechts sind ab 1. Januar 2023 nur noch bis zu einem Betrag von fünf Millionen Euro pro Bank abgesichert. Ab 2025 wird die geschützte Summe nur noch bei drei Millionen Euro liegen. 2030, wenn die Reform abgeschlossen sein soll, wird höchstens noch eine Million Euro pro Institut durch die Einlagensicherung der privaten Banken abgedeckt sein.
Dagegen schauen professionelle Einleger wie Versicherungen, Investmentgesellschaften und öffentlich-rechtliche Körperschaften und Anstalten demnächst in die Röhre: Ihre Einlagen sind überhaupt nicht mehr geschützt. Die Guthaben von Bund, Ländern, Kommunen, ebenso wie die von Banken, Finanzinstitutionen und Wertpapierfirmen wurden schon bisher nicht von der Einlagensicherung abgedeckt.
Die Gelder von Unternehmen und Institutionen, die gesetzlich verpflichtet sind ihre Einlagen zu schützen, ferner karitative Organisationen ohne Erwerbszweck sowie Verbände und Kammern werden ab kommenden Jahr noch mit bis zu 50 Millionen Euro geschützt. Ab dem 2025 dann mit maximal 30 Millionen und ab 2023 dann nur noch mit bis zehn Millionen Euro. Der BdB betont in seiner Mitteilung weiter, dass die Sicherungsmechanismen nur für deutsche Institute gelten. Einlagen, die außerhalb Deutschlands über ausländische Niederlassungen von Mitgliedsinstituten eingeworben werden, werden künftig nicht mehr geschützt.