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Börse aktuell: An der „Wall of Worry“ aufwärts
Dritte Corona-Welle, erneute Lockdowns, schleppende Konjunkturerholung - die Wirtschaftsperspektiven waren schon einmal besser. Die Skepsis nimmt zu. Und so grenzt es auf den ersten Blick nahezu an ein Wunder, dass die Börsen nicht abstürzen und längst in einer tiefen Baisse stecken.
Der zweite Blick offenbart: Große Skepsis und steigende Kurse - das ist eine Konstellation, die gar nicht so ungewöhnlich ist. Die Finanzmärkte bezeichnen das als "Wall of Worry": Entlang einer Mauer der Angst hangeln sich die Kurse nach oben. Wo Euphorie fehlt, da sind immer noch viele skeptische Anleger an der Seitenlinie, die sorgenvoll die Krisensymptome beargwöhnen, den steigenden Kursen hinterherschauen - und schließlich doch kaufen, um die Rally nicht vollends zu verpassen.
Fünf Risiken speisen diese Skepsis. Doch mindestens vier davon werden die Börsen nicht ins Wanken, geschweige denn zum Absturz bringen:
Corona: Trotz stabil hoher Infektionszahlen, aggressiver Virusmutanten, Rückschlägen beim Hochfahren der Wirtschaft und Verzögerungen bei den Impfungen ist die Pandemie aus Sicht der Aktienmärkte weitgehend Vergangenheit. Früher oder später wird ein Großteil der Bevölkerung geimpft sein und wieder mehr konsumieren, sodass die Unternehmen ihre Gewinne steigern. Das beflügelt die Märkte.
Teure Aktien: Ob DAX oder Dow Jones - nahezu alle Aktien sind höher als im langfristigen Durchschnitt bewertet. Das lässt sich nicht wegrechnen. Die Kurse stiegen schneller als die Unternehmensgewinne. So haben beispielsweise die 30 DAX-Konzerne ihre Nettogewinne im letzten Jahr glatt halbiert, doch ihre Kurse erhöhten sich um drei Prozent. Solch eine Konstellation ist allerdings im jetzigen Konjunkturzyklus normal. Die Gewinne fielen, weil die Wirtschaft eingebrochen ist. Die Kurse steigen, weil Anleger auf den nächsten Aufschwung spekulieren.
Steigende Zinsen: In den USA sind die Renditen für zehnjährige Staatsanleihen von einem halben Prozent im August auf zuletzt 1,7% Jahreszins gestiegen. Steigende Zinsen sind generell Gift für die Aktienmärkte, weil ihnen dadurch eine Konkurrenz erwächst. Aber erstens reichen 1,7% nicht aus, damit Anleger im großen Stil umschichten. Zweitens erscheint das Schreckensszenario aus weiter steigenden Renditen unglaubwürdig. Die Notenbanken steuern mit ihrer Nullzinspolitik dagegen. Auch erhöhen sie ihre monatlichen Anleihekäufe, um die Renditen wieder zu drücken. Höhere Zinsen wollen die Notenbanker unbedingt verhindern - koste es, was es wolle. Denn die überschuldeten Staaten kämen mit höheren Kapitalmarktzinsen kaum zurecht. "Don’t fight the Fed!" gilt weiterhin - Stelle dich nicht gegen die US-Notenbank!
Inflation: Die Preise steigen, vor allem Öl und Benzin werden teurer. Wirklich gefährlich wird Inflation für den gesamten Aktienmarkt aber erst, wenn sie stark steigt und die Notenbanken daraufhin die Zinsen erhöhen, um die Teuerung zu bremsen. Doch die Notenbanken haben klargestellt, dass sie genau dies nicht tun werden. Einerseits weil sie die Inflation für einen kurzzeitigen Effekt halten, und dafür spricht angesichts des abrupten Ölpreisverfalls zu Beginn der Corona-Pandemie vor einem Jahr einiges. Andererseits weil die Notenbanken mit steigenden Zinsen eine neuerliche Staatsschuldenkrise riskieren würden, wenn sich für die Regierungen die Schulden verteuern.
Handelskonflikte: Diese könnten auf Dauer möglicherweise die größte Belastung für die Börsen sein. Zum einen, weil sie kaum noch jemand im Blick hat, seitdem Präsident Joe Biden Donald Trump beerbt hat. Krisen, die überraschend kommen, sind für die Börsen immer die schlimmsten Krisen. Zum anderen, weil Biden anders als sein Vorgänger Allianzen mit den Europäern anstrebt.
Das Szenario, wonach die USA unfaire Handelspraktiken Chinas anprangern und von Europa verlangen werden, dies ebenfalls zu tun und notfalls mit Strafmaßnahmen dagegen vorzugehen, ist durchaus real. Mehr noch: Die Chinesen könnten mit Vergeltungsmaßnahmen reagieren, beispielsweise deutschen Autobauern die Produktion im Land erschweren. Die Börsen setzen aktuell nicht auf dieses Szenario. Doch einmal in den Blickwinkel gekommen, würde es die Aktienmärkte unter Druck setzen. So weit ist es noch nicht, und es wäre nicht klug, deshalb schon jetzt aus Aktien auszusteigen. Schon oft haben sich negative Erwartungen im Nachhinein als falsch herausgestellt.
Solange die Finanzmärkte nicht auf eine Neuauflage des Handelskonflikts spekulieren, ist der Zeitpunkt gar nicht schlecht, jetzt noch in den Aktienmarkt einzusteigen. Erstens, weil die Alternativen fehlen, Zinsen fürs Ersparte gibt es immer noch nicht. Zweitens, weil die Weltwirtschaft ab dem zweiten Halbjahr oder 2022 voraussichtlich so stark wachsen wird wie seit mindestens zehn Jahren nicht mehr. Zu Beginn eines Aufschwungs war es immer gut, ein- und nicht auszusteigen. Auch wenn die Börsen diesmal bereits viel von der erhofften Aufschwungszukunft vorweggenommen haben. Doch je größer die allgemeine Skepsis desto größer das Kurspotential.
Aktien: Die Mär vom billigen DAX
Seit Jahren lautet das Credo der Analysten: Deutsche Aktien sind für Neuanlagen vorzuziehen, weil preiswerter und deshalb attraktiver als amerikanische. Aber stimmt das auch?
Beim genaueren Blick entpuppt sich der billige DAX leider als Irrglaube. Dass die deutschen Topunternehmen seit Jahren vergleichsweise geringer bewertet sind, hat nämlich einen handfesten Grund: Die Amerikaner halten ihre eigenen Gewinnprognosen und die der Analysten regelmäßig einfach zielgenauer ein als die deutschen Konzerne.
Sicher: Die Kurse vieler US-Aktien, vor allem im Technologiebereich, sind kräftig gestiegen und deshalb teuer im langfristigen Mittel, abzulesen auch am Kurs-Gewinn-Verhältnis: Anleger bezahlen derzeit die 30 DAX-Unternehmen mit dem 16-fachen Jahresgewinn, was leicht über dem langfristigen Durchschnitt liegt. Die Dow-Jones-Werte hingegen kosten den 35-fachen Gewinn, sind also doppelt so teurer. Das liegt auch daran, weil deutsche Aktien im längerfristigen Vergleich häufig weniger stark zugelegt haben. So hat sich der Dow Jones seit der Finanzkrise 2009 mehr als vervierfacht, der DAX „nur“ verdreifacht.
Seit 2012 weist der Dow Jones deutlich höhere Kurs-Gewinn-Verhältnisse (KGV) auf als der DAX. Kosteten deutsche Aktien üblicherweise das 15-fache der erwarteten Jahresgewinne, waren Aktien in den USA mit dem Faktor 20 stets deutlich teurer. Der Abstand weitete sich aber in der jüngeren Vergangenheit offensichtlich sogar aus.
Was bei der KGV-Rechnung missachtet wird: Sie gilt immer für die prognostizierten Gewinne – nicht aber für die am Ende eines Jahres tatsächlich erwirtschafteten Erträge. Das führt zum entscheidenden Punkt: Am Ende lieferten die deutsche Unternehmen in all den Jahren nie, was sie und vor allem was Analysten sich von ihnen versprachen. Viele Jahre stagnierten die Gewinne der 30 DAX-Konzerne, obwohl die Prognosen immer davon ausgingen, die Unternehmen würden ihre Gewinne um 10-15% steigern. Und das Jahr für Jahr.
Doch das wurde nie Realität. Schuld sind spektakuläre Aussetzer, wie sie im obersten Börsensegment der Deutschen Börse leider regelmäßig auftauchen: Zunächst waren es die beiden Versorger RWE und EON, die wegen der Neuausrichtung der Geschäftsmodelle unter die Räder kamen. Commerzbank und Deutsche Bank litten seit der Finanzkrise vor sich hin, und so „glänzte“ die Deutschen Bank 2017 mit dem dritten Jahresverlust in Folge, obwohl auch hier immer wieder schwarze Zahlen prognostiziert waren.
Lang ist auch die Liste der DAX-Unternehmen, bei denen die Bilanz durch teure Investitionsausgaben und Abschreibungen verhagelt wurde: sei es bei der Deutsche Telekom wegen des Netzausbaus oder die Automobilbauer, die das Ruder Richtung E-Auto herumreißen mussten. Deutsche Post und Thyssen-Krupp versenkten mit Fehlinvestitionen sogar richtig Geld. Der Oberhammer war jedoch Wirecard letztes Jahr - die erste Totalpleite im DAX. Keine Frage: Die geballte Ladung an Pleiten, Pech und Pannen im DAX in den letzten Jahren ist schon einzigartig.
Anders als in Deutschland sind die Gewinnprognosen in den USA sehr zuverlässig. In aller Regel übertreffen dort die Unternehmen die Schätzungen sogar um ein paar Cent - das gehört zum guten Ton.
Deswegen werden US-Aktien im Vorhinein etwas teurer eingeschätzt, als sie am Ende wirklich sind. Bei den Deutschen ist es genau andersherum: Zu optimistische Schätzungen machen den DAX nur auf den ersten Blick attraktiver, doch am Ende erweisen sich viele Unternehmen als überschätzt.
Diese Diskrepanz erklärt, warum die Wall Street seit Jahren besser läuft. In Wahrheit sind die amerikanischen Unternehmen also nicht unbedingt wirklich teurer, sondern wachsen dynamischer und nachhaltiger als deutsche Unternehmen. Von vermeintlich hohen Kurs-Gewinn-Verhältnissen muss man sich daher nicht unbedingt abschrecken lassen.
Unsere Einschätzung:
Das Phänomen, dass sich die solideren Geschäftsmodelle häufig in den USA finden lassen, fällt uns bei Dr. Lux & Präuner ebenso bei der Aktienselektion für unser Anlagekonzept STARKE MARKEN auf. Bei den Amerikanern finden sich wahre Cashcows, von denen manch europäisches Unternehmen nur träumen kann. Es mag am großen US-Binnenmarkt liegen, dass sowohl die Fundamentaldaten als auch die Wachstumsraten vieler US-Firmen einfach besser aussehen als in Europa. Eine aktuell sportliche Bewertung muss daher kein Hinderungsgrund sein, den US-Aktien gegenüber DAX-Titeln den Vorzug zu geben.
Festgeldanlagen: Vorsicht bei der Zinsjagd
Ein neuer Skandal erschüttert das Vertrauen in die Finanzbranche: Die Pleite der Greensill Bank in Bremen. Kein Drama würde man meinen, ist die Bank doch eigentlich eher unbekannt. Dennoch ist das Geschrei nun insofern groß,denn nicht nur Privatanleger haben ihre Spargelder zu dem Institut getragen, auch viele Kämmerer haben die Steuergelder ihrer Kommunen dort angelegt, um den Negativzinsen bei der Haussparkasse zu entgehen.
Mittlerweile ist das Geld der Sparer bei Greensill durch ein Moratorium der Finanzaufsicht (BaFin) eingefroren. Private Sparer können dennoch relativ entspannt bleiben: Sie wissen, dass sie ihr Geld zurückbekommen - im Gegensatz zu den Kommunen, die um eingefrorene Euro-Beträge in Millionenhöhe bangen.
Zwar muss zunächst geklärt werden, ob die Bank ihren Geschäftsbetrieb weiterführen kann. Wenn nicht, tritt der sogenannte Entschädigungsfall ein, und damit fließt das Geld aus anderen Töpfen: Bis zu einem Betrag von 100.000 Euro pro Sparer greift der gesetzliche Einlagenschutz über die Entschädigungseinrichtung deutscher Banken (EdB), darüber hinaus bis 75 Millionen Euro der Sicherungsfonds der privaten Banken.
Geschädigte müssen sich jetzt wohl einige Wochen gedulden, bis klar ist, wie es weitergeht. Im Entschädigungsfall aber erhalten sie ihr Geld binnen sieben Tagen zurück. Genau von dieser Entschädigung profitieren die Kommunen jedoch nicht. Als institutionelle Anleger sind sie ausgenommen. Wie planlos offensichtlich manche Kommune mit den Steuergeldern ihrer Bürger umgeht, ist ein anderes Thema.
Aber auch private Verbraucher sollten genauer hinschauen, wohin sie ihr Geld geben. Der Greensill-Fall ist dafür mal wieder ein Warnschuss und gleicht dem Fiasko bei der isländischen Kaupthing Bank vor einigen Jahren. Verbraucherschützer pochen daher zu Recht immer wieder darauf, dass Sparer ihr Geld nicht einfach via Plattform über die ganze Welt verteilen, um noch ein paar Euro mehr zu verdienen.
Gemeint sind Zinsplattformen, über die viele Anleger arglos Geld auf Konten, auch außerhalb Deutschlands anlegen, um die lästigen Minuszinsen zu umgehen oder sogar überdurchschnittliche positive Zinsen einzustreichen. Vor allem Plattformen wie Weltsparen und Zinspilot vermitteln den Zugang zu Banken, die nicht am deutschen Markt mit einer Filiale aktiv sind. Festgeld von 5000 Euro über ein Jahr bringt bei einer Bank in Bulgarien oder Rumänien gerade mal rund 17 Euro mehr ein als im Inland. Der EU-weite Einlagenschutz gilt zwar auch dort. Aber umgesetzt wird die Absicherung vor Ort.
Wenn also bei einer Pleite einer größeren Bank der Einlagensicherungsfonds leer ist, müsste der betroffene Staat mit Steuermitteln deutsche Sparer entschädigen wollen und können. Und das Geld einklagen müssten die Sparer dort, wo es liegt. Anspruch auf ihr Kapital hätten sie überdies nur in Landeswährung.
Unser Rat:
Dass Sparer versuchen, den Strafzinsen auszuweichen, ist verständlich. Dass sie sich aber über wildes Zinshüpfen für ein paar Euro mehr womöglich schlaflose Nächte einhandeln, weniger. Es macht daher in der Regel wenig Sinn, über Zinsplattformen in ganz Europa Aufschlägen in Höhe von Bruchteilen von Minizinssätzen nachzujagen. Lassen Sie es einfach!