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Börse aktuell: Der Unglaube der Marktteilnehmer treibt DAX
Am deutschen Aktienmarkt geht die Post ab. Früher hat es einige Monate gedauert, bis eine neue 1000er-Schwelle nachhaltig überwunden werden konnte. Aktuell geht es ganz schnell: 3.000 Punkte in nicht mal acht Wochen hat der DAX zu Jahresanfang hinzugewonnen; davon wurden nun in den letzten zwei Tagen wieder 700 Punkte abgeschlagen.
Doch woher kommt auf einmal diese Aufwärtsdynamik? Das wirtschaftliche Umfeld in Deutschland ist ja eher schlecht. Die Stimmung gedrückt. Die Nachrichtenlage angespannt. Doch Börse ist eben einfach auch Psychologie: Es ist der Unglaube der Marktteilnehmer, der den Index in immer neue Höhen treibt. Zuviele können die hohen Kurse nicht mit dem Marktumfeld vereinbaren und warten oder wetten auf fallende Kurse. Die Eindeckung von Verlusten treibt die Rallye aber immer nur weiter an. Sie wird erst dann enden, wenn auch der Letzte die Hoffnung auf fallende Kurse aufgegeben hat. Die Bewertung von Aktien ist in solchen Phasen irrelevant. Natürlich werden die Kurse mittelfristig auch wieder zurückkommen, die Frage ist nur, von welchem Niveau aus!? Für längerfristig orientierte Investoren ist die Party im DAX gelaufen. Sie können nur noch zuschauen und allenfalls ihre Gewinne managen.
Schaut man sich die Kurstreiber im DAX näher an, handelt es sich um ein Revival der alten deutschen Industrie. Als Haupt-Klimaschädiger war sie praktisch „persona non grata“. Enorme Kosten und Belastungen rollten auf die Unternehmen zu für die Umstellung auf eine klimaschonende Produktion. Die Zukunft sah in vielen Bereichen eher düster aus. Die allseits erwarteten Handelszölle sprachen ebenfalls dagegen, ausgerechnet den mit Exportindustrie gespickten DAX aus Investmentsicht zu favorisieren.
Doch Totgesagte leben länger. Deutschland und Europa wird nämlich gerade mit der Holzhammer-Methode von unseren „lieben Freunden“ aus Übersee neue Prioritäten eingebläut: Klimaschutz war gestern – Europa muss aufrüsten - und zwar sofort. Wer das nicht wahrhaben will, verkennt die hochbrisante außenpolitische Lage, in die sich Europa mittlerweile hineinmanövriert hat. Das Zeitfenster für Themen wie Nachhaltigkeit und Klimaschutz, die wohl nur in stabilen Friedenszeiten opportun sind, hat sich offensichtlich aufgrund der äußeren Umstände mittlerweile geschlossen. Rückblickend wurde das Thema zu spät und falsch angegangen. Die Zumutungen für Bevölkerung und Wirtschaft waren kurzfristig zu groß. Damit steht aber der deutschen Industrie womöglich ein großartiges Comeback bevor – sofern unsere Politiker den Appell hören: Make our German Industry great again!

Steuern: BFH kippt Begrenzung der Verlustverrechnung bei Termingeschäften
Das deutsche Steuerrecht ist eines der kompliziertesten der Welt. Mitunter treibt es auch bizarre Blüten, wie die Regeln zur Verrechenbarkeit von Verlusten aus Termingeschäften zeigen. Selbst der Bundesfinanzhof kritisierte diese als Verstoß gegen das Grundgesetz.
Klare Worte von den obersten Finanzrichtern: Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in einem wegweisenden Beschluss klar gemacht, dass die 2021 eingeführten Regeln für die Verlustverrechnungsbeschränkungen bei Termingeschäften nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Sie führen zu einer "doppelten Ungleichbehandlung von Steuerpflichtigen, die Verluste aus Termingeschäften erzielen". Als Termingeschäfte gelten unter anderem Optionen, Futures sowie Contracts for Difference (CFDs).
Worum ging es genau? Seit einer Gesetzesänderung aus dem Jahr 2021 durften Anleger Verluste aus Termingeschäften weitgehend nur noch mit Gewinnen aus gleichen Geschäften verrechnen – bis maximal 20.000 Euro im Jahr. Genau damit kämpfte ein Anleger, der in CFDs investiert hatte. Im Jahr 2021 hatte er mit diesen hochspekulativen Produkten Gewinne in Höhe von 250.631 Euro erzielt, zugleich aber auch 227.289 Euro Verlust gemacht. Unter dem Strich hätte sich also ein Gewinn in Höhe von 23.342 Euro ergeben.
Gemäß der gesetzlichen Regelung berücksichtigte das Finanzamt nur 20.000 Euro der Verluste aus den Termingeschäften – dazu einen Verlustvortrag und den Sparerpauschbetrag. In Summe führte das zu Einkünften aus Kapitalvermögen in Höhe von 213.826 Euro und einer Steuerschuld von 59.860 Euro. Daher legte der Anleger Einspruch gegen den Steuerbescheid ein, wobei ihm das Finanzgericht in Rheinland-Pfalz im vergangenen Dezember recht gab (Az.: 1 V 1674/23). Die Richter hatten "erhebliche Bedenken", dass die Vorschrift im Einkommensteuergesetz, genauer §20 Absatz 6 Satz 5, mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes vereinbar ist.
Die Richter am Bundesfinanzhof wurden noch deutlicher: Sie sprachen von einer "Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz". So gebe es in Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz den Gleichbehandlungsgrundsatz. Durch das Steuergesetz käme es jedoch zu einer "doppelten Ungleichbehandlung" von Steuerpflichtigen: Je nachdem, ob sie Verluste aus Termingeschäften oder aus anderen Kapitalanlagen erzielt haben, werden sie ungleich behandelt. Hinzu komme, dass Gewinne und Verluste aus Termingeschäften nicht gleichbehandelt werden.
Den starken verfassungsrechtlichen Bedenken kam nun die Bundesregierung mit ihrem Jahressteuergesetz 2024 zuvor und schafft die Vorschrift wieder ab. Damit wird die Verlustverrechnungsbeschränkung für Termingeschäfte auf alle offenen Fälle nicht mehr angewendet werden. Verluste aus Termingeschäften sind somit vollständig mit Gewinnen aus Termingeschäften und anderen Kapitaleinkünfte (bspw. Dividenden) verrechenbar. Am 5.12.2024 wurde das Gesetz verkündet und trat damit grundsätzlich zum 6.12.2024 in Kraft.
Eine andere Frage bleibt hingegen weiterhin offen: Bereits im Jahr 2021 hat der BFH dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob es verfassungskonform ist, dass Aktienverluste nur mit Aktiengewinnen verrechnet werden dürfen (Az.: 2 BvL 3/21). Eine Entscheidung steht hier noch aus.

FinTech: Neobrocker verleiten zum Zocken
Günstige Preise, ein fast spielerischer Zugang zur Börse – so locken Neobroker Neukunden. Gerade junge, unerfahrene App-Nutzer sind sich über die versteckten Kosten der Anbieter aber nicht im Klaren, zeigt eine Untersuchung. Das birgt Risiken.
Trading-Apps von Anbietern wie Trade Republic, Robinhood oder Scalable Capital bieten Nutzern einen einfachen, fast spielerischen Zugang zur Börse und punkten zudem mit vermeintlich niedrigen Kosten. Daher ziehen die Neobroker in erster Linie Kunden an, die zuvor noch nie an den Kapitalmärkten aktiv waren. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie der Universität Trier und der Hochschule München.
Die Forscher haben erstmals untersucht, welche Effekte die neue Form des Börsenhandels auf das Verhalten von Anlegern hat. Dafür haben sie über 500 Bundesbürger befragt, die Neobroker bereits nutzen oder planen, künftig an der Börse zu investieren.
Es sei zwar durchaus positiv, dass Trading-Apps fast nur solche Anleger als Neukunden gewinnen, die sich zuvor noch nie an den Aktienmärkten bewegt haben. Viele junge Menschen haben verstanden, dass sie nur durch zusätzliches Fonds- oder Aktiensparen langfristig ihre Rente sichern können.
Auf der anderen Seite zeigt die Studie aber, dass die App-Nutzer sich über versteckte Kosten oft nicht im Klaren sind und so zum Spekulieren verleitet werden. Besorgniserregend sei auch, dass Anleger, die aus Trading-Apps aussteigen, fast immer ganz aufhören, zu investieren.
Im Gegensatz zum klassischen Wertpapierkauf etwa bei Filialbanken entsteht der Untersuchung zufolge für User von Trading-Apps nur eine symbolische Gebühr, zum Teil ist der Trade sogar völlig kostenfrei. Dieses kostengünstige oder gar kostenfreie Handeln ist nur deshalb für die Anbieter möglich, weil es versteckte Kosten durch Rückvergütungen gibt: Gibt die Trading-App z.B. nur einen einzigen Handelsplatz vor, sind – mangels Vergleichsmöglichkeit - aktuelle Kurse der Wertpapiere beim Kauf im Schnitt teurer als bei Online-Brokern oder Filialbanken, wo man den Handelsplatz wählen kann. Diese versteckten Kosten seien aber nur fünf Prozent der Studienteilnehmer bekannt gewesen.
Für das Geschäftsmodell der Neobroker sei es gut, wenn Anleger viele einzelne Transaktionen abwickeln. Die Studie konnte zeigen, dass die App-Nutzer statistisch signifikant mehr traden und eine höhere Risikobereitschaft mitbringen. Der Verdacht liegt nahe, dass die Anleger durch die scheinbar geringen Preise der einzelnen Trades mehr spekulieren und so auch höhere Risiken eingehen. Besonders junge und unerfahrene App-Nutzer könnten damit zum Zocken verleitet werden.
Allerdings wird sich die Gefahr zukünftig reduzieren, denn der europäische Gesetzgeber hat Rückvergütungen für Neobroker dieser Art in der geänderten Fassung der Verordnung (EU) 600/2014 (MiFIR, Artikel 39a Absatz 1) wegen Interessenskonflikten untersagt. Das Verbot ist in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union spätestens ab 30. Juni 2026 einzuhalten.